Hamburger Morgenpost – Historischer Schatz - Diese Tagebücher erlauben eine Zeitreise ins alte Hamburg


F E R D I N A N D
B E N E K E

(1774 – 1848)
D i e  E d i t i o n
Kohle- und Kreidezeichnung von Minna Christine Rist (1809 - 1849)  Quelle: Staatsarchiv Hamburg

F E R D I N A N D
B E N E K E

( 1 7 7 4 - 1 8 4 8 )
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Hamburger Morgenpost – Historischer Schatz - Diese Tagebücher erlauben eine Zeitreise ins alte Hamburg

Ferdinand Beneke - Die Edition
Mittwoch 24 Jul 2019
Auf all diese Fragen gibt es jetzt erstmals eine Antwort. Und das haben wir einem Menschen zu verdanken, der schon 171 Jahre tot ist. Doch er hat uns den Gefallen getan, von seinem 18. Lebensjahr an Tagebuch zu führen – 56 Jahre lang bis zu seinem Ableben.

Ferdinand Beneke: Für den Leser der Chronik ist es so, als würde er an der Seite dieses 1774 geborenen Mannes alles miterleben, vom Sturm auf die Bastille bis fast zur Märzrevolution 1848. Und als würde er all seine Gefühle teilen: Hoffnung, Freude, Sorgen und auch Liebeskummer. Sogar bei Benekes Bordellbesuchen ist der Leser mit dabei.

Die Beneke-Tagebücher sind ein kulturhistorisch einzigartiger Schatz. Das wissen Historiker schon lange. Jetzt können auch Laien darin blättern. Nicht in den Originalen, die im Staatsarchiv lagern. Nein, die sind viel zu wertvoll, das Papier viel zu brüchig als dass jedermann sie anfassen sollte. Aber im Auftrag von Jan Philipp Reemtsmas „Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur“ ist seit 2001 eine Gruppe von sieben Historikern und Leitung von Frank Hatje und Ariane Smith dabei, Seite für Seite, Band für Band zu editieren.


Soeben hat der Wallstein-Verlag den zweiten Teil herausgebracht, nachdem der erste und der dritte schon früher erschienen waren. Damit liegen jetzt Benekes Tagebücher von 1792 bis 1816 lückenlos vor. Schon jetzt sind das 11.000 Seiten. Und wenn der vierte Teil Ende 2020, Anfang 2021 ebenfalls auf dem Markt ist, werden es annähernd 15.000 Seiten sein, verteilt über mehr als 20 Bände.

Die Geshichte Hamburgs auf 15.000 Tagebuch-Seiten
Das klingt, als könne das ein einzelner Mensch kaum bewältigen. Aber wer einmal mit dem Lesen beginnt, der hört nicht mehr auf. Wobei nicht ratsam ist, Benekes Tagebücher zu lesen wie einen Roman, nicht Seite für Seite. Manchmal gibt es furchtbar langweile Einträge, die sich in Oberflächlichkeiten erschöpfen: Da beschreibt Beneke bloß, wie das Wetter war, wie viele Stunden er gearbeitet und mit wem er anschließend beim Tee zusammengesessen hat. Daneben gibt es aber viele mitreißende Stellen, die so lebendig sind wie ein historischer Roman.


Da ist beispielsweise der 20. Mai 1813. Ein Donnerstag. Von der Veddel schießen Napoleons Soldaten mit ihren Kanonen, wollen die Stadt zurückerobern. „Mit widerlichem Gepfeiffe durchschnitten Kugeln aller Art die Luft, u. feurige Linien bezeichneten die Bahn der Haubitzen“, so Beneke. Er hat Angst um seine Frau Caroline. „Als das Bombardement plötzlich losbrach, u. eine Bombe schon Nachbars Haus traf, hat sie sich mit Fritz (das ist der Sohn) eiligst zu Fuß nach Altona begeben, u. Gott hat sie vor Unglück bewahrt.“

Kurz darauf wird die Stadt kapitulieren, Beneke nach Rellingen fliehen und dort auf das Ende der napoleonischen Herrschaft warten.

Ferdinand Beneke wird am 1. August 1774 in Bremen geboren
Ferdinand Beneke wird am 1. August 1774 in Bremen geboren. Sein Vater ist ein gut situierter Kaufmann. Bürgerliche Ideale prägen seine Erziehung: Er wird erst von einem Hauslehrer unterrichtet, besucht später ein Gymnasium, erlernt Reiten, Fechten, Tanzen, Musizieren und beginnt 1790 ein Studium der Rechts- und Kameralwissenschaften, das ihn nach Rinteln, Halle und Göttingen führt, wo er promoviert.

Während der Koalitionskriege belagern russische Truppen das von Franzosen besetzte Hamburg. Beneke kehrt im Mai 1814 gemeinsam mit der Hanseatischen Legion in die Stadt zurück. Es gibt einen triumphalen Empfang.
Während der Koalitionskriege belagern russische Truppen das von Franzosen besetzte Hamburg. Beneke kehrt im Mai 1814 gemeinsam mit der Hanseatischen Legion in die Stadt zurück. Es gibt einen triumphalen Empfang.

Als 18-jähriger Student beginnt er mit dem Schreiben seines Tagebuchs. Etwas für die Nachwelt zu hinterlassen, auf diese Weise unsterblich zu werden, ist damals durchaus modern. Er selbst erklärt seine Entscheidung, sein Leben niederzuschreiben, so: „Nicht immer ist man in der Lage, alle größeren, und geringeren Begebenheiten seines Lebens treuen Freunden mittheilen zu können. Entfernung ist gemeiniglich Schuld daran. Was hilft mir aber mein Glück, wenn ich nicht Jemanden sagen kann: Siehe! Ich bin glücklich.“

Beneke ist Zeitzeuge der Französischen Revfolution
Wie viele Zeitgenossen seines Alters ist er als junger Mann begeistert von der Französischen Revolution. Er wünscht sich eine solche Erhebung der Massen auch in den deutschen Landen. „Schade überhaupt, daß von uns die Guillotinezeit noch so fern ist, wo der Unterdrückte vor dem Richterstuhl seiner Nation klagen und sein Wehe über die verruchten Usurpateures aller Volksgewalten rufen darf“, schreibt er. Nicht nur im Tagebuch, auch sonst scheint er mit seiner Meinung nicht hinterm Berg zu halten, denn er schreibt, er gerate schon in den Ruf, „ich sey ein Jacobin“.

Beneke hasst die Monarchie, hasst Preußen und erwägt auszuwandern – nach Frankreich oder gleich Nordamerika. Er schreibt sogar einen Brief an Thomas Jefferson und George Washington, in dem es heißt, er möchte gerne „ein guter Bürger America’s“ sein. „Ach denken Sie daran, daß eine abschlägige Antwort einem redlichen Weltbürger die einzige Aussicht raubt, glücklich zu werden.“

Hamburg hat damal bloß 130.000 Einwohner
Aber er wird kein Franzose, kein Amerikaner, er wird Hamburger. Hamburg, damals das Zuhause von 130.000 Menschen, ist wie gemacht für Beneke. Als er 1796 Einzug hält, schreibt er begeistert: „Da lag sie vor mir, meine künftige Vaterstadt, in ihrer ganzen venezianischen Pracht. Welch ein Anblick, als wir die zahllosen Schiffsreihen vorbeyfuhren, das Gewimmel dieser kosmopolitischen Wasserstadt ansahen, die verschiedenen Sprachen hörten ... Wir fuhren durch den Hafen. Legen beym Baumhaus an. Ich springe an Land – Republikanischer Boden! Mein Vaterland!!“

Beneke, dessen Vater sich verspekuliert und sein Unternehmen verloren hat, ist mittellos, als er in Hamburg ankommt. Aber der junge Mann hat schnell raus, wie er Beziehungen aufbaut und sie für den persönlichen Aufstieg nutzt. Beneke ist – so würden wir heute sagen – ein Netzwerker. Schon in den ersten vier Beneke-Bänden begegnen dem Leser innerhalb von nur zehn Jahren und 2800 Buchseiten rund 5700 Personen – einflussreiche Hamburger Kaufleuten genauso wie berühmte Schriftsteller und Philosophen. In Zeiten ohne Facebook, Internet und Telefon vergeht kein Tag, an dem es nicht etliche persönliche Begegnungen gibt.


Beneke weiß genau, in welchen elitären Institutionen er Mitglied werden muss, um in der Nähe derjenigen zu sein, die in der Stadt die Entscheidungen treffen. Schnell wird er Mitglied der berühmten Patriotischen Gesellschaft, auch Ehrenämter nimmt er gerne an, wird beispielsweise Armenpfleger in der Armenanstalt. Dies ist einerseits Ausdruck eines ausgeprägten sozialen Gewissens. Andererseits weiß er, dass solches Engagement nach und nach belohnt wird „durch manche dadurch erworbene Bekanntschaft“.

Beneke und die Frauen – ein spezielles Thema. 1796 vertraut er seinem Tagebuch in Geheimschrift an, dass er ein Bordell besucht hat: „Abends bey einem schönen Mädchen. Die erste Schäferstunde seit 2 Jahren und die sechste meines Lebens“, so der damals 22-Jährige. Mehreren jungen Damen macht er den Hof. Richtig dramatisch wird es, als sich Beneke in Wilhelmine Charlotte de Chaufepié verliebt, die aber ausgerechnet die Verlobte seines Freundes Johann Jakob Rambach ist. Eine Ménage-à-trois, die ihm so sehr das Herz bricht, dass er sogar mit seinen Tagebuchaufzeichnungen aussetzt – das einzige Mal in 56 Jahren: „Der bloße Anblick des Tage-Buchs entsetzt mich.“

Zum Helden wird Beneke während der Franzosenzeit, die 1806 mit dem Einmarsch napoleonischer Truppen beginnt
Benekes Hoffnung, eine Frau zu finden und eine Familie zu gründen – das ist sein höchstes Ziel –, geht dann aber doch noch in Erfüllung. Mit Caroline Beneke bekommt er sechs Kinder. Er ist ein liebevoller Vater, ein guter Ehemann und ein angesehener Anwalt.

Zum Helden wird Beneke während der Franzosenzeit, die 1806 mit dem Einmarsch napoleonischer Truppen beginnt und ihren Höhepunkt 1811 erreicht, als die Stadt sogar der französischen Republik einverleibt wird. Beneke, der einst die Ideale der Französische Revolution hochhielt, wird zum Napoleon-Hasser und zu einem eingefleischten Patrioten, der es ablehnt, in irgendeiner Weise mit den Besatzern zu kollaborieren. 1813 nimmt er als Angehöriger der Bürgerwehr an der Befreiung Hamburgs teil, und als die Franzosen sie bald darauf zurückerobern, flieht er aus der Stadt. Beneke wird Mitglied des Hanseatischen Directoriums, einer Art Exilregierung, die sich auf die Zeit danach vorbereitet.

Während einer monatelangen Belagerung durch russische Truppen leidet die Stadt im Winter 1814/14 schwer. Die Franzosen brennen die Vorstädte nieder, um freies Schussfeld zu haben. Beneke ist entsetzt. Er reist nach St. Pauli und berichtet seinem Tagebuch: „Mit blutendem Herzen alle Verwüstungen gesehen.“ Der Hamburger Berg ist eine einzige Trümmerwüste. Kein Haus steht mehr.

Groß ist Benekes Freude, als die französischen Truppen am 31. Mai 1814 abziehen. „Endlich Einzug durch das Thor, – u. nun goß sich ein heißer Strom des Entzückens durch meine Adern...“, schreibt er über den die Rückkehr der Hanseatischen Bürgergarde. „Des Volkes Jubel war ungeheuer. Wir wurden mit Kränzen fast erstickt, Blumen regneten aus allen Fenstern.“ Freudenschüsse. Hurra-Rufe. Musik und Trommeln. „Es war der tollste Lärm, den ich je hörte.“

171 Jahre ist Ferdinand Beneke jetzt tot - dank seiner Tagebücher lebt er weiter
Nach Ende der Franzosenzeit macht Beneke Karriere. Sogar als Senator ist er im Gespräch. Immerhin wird er 1816 Oberaltensekretär und sogenannter Konsulent der Bürgerschaft, was ihn sehr einflussreich macht. Tagebuch schreibt er weiter. Kurz vor seinem Tod diktiert er seinem Sohn, was er zu sagen hat. Am 1. März 1848 stirbt Beneke. Zwei Tage, bevor die bürgerliche Revolution auch Hamburg erreicht. Wir wissen nicht, was er dazu gesagt hätte.

171 Jahre ist Ferdinand Beneke jetzt tot. Dank seiner Tagebücher lebt er weiter. Unsere Empfehlung: dringend lesen!



Beneke-Edition
Lübecker Straße 126
22087 Hamburg
www.ferdinand-beneke.de

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